Konzert vom 27.9.2015 - Schweizer Drehorgel-Club

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Konzert vom 27.9.2015

Fotos / Berichte > 2015
von Hans Berger, Fricktal24



Zugegeben, Titel und Titelbild stimmen auf den ersten Blick nicht überein, weil die Königin doch eher etwas zu jung erscheint, um die Mutter der Prinzen sein zu können. Der Titel nimmt indes weder auf Edi Niederberger, Angelika Hirsch, Peter X. Bürgisser, noch auf Cyril Schulthess einen direkten Bezug, sondern auf deren Instrumente – Orgel und Drehorgel - mit denen das Quartett am vergangenen Sonntag sein Publikum in der Röm. Kath. Kirche Kaiseraugst rundweg zu begeistern vermochte.

Sprachlos
Ein Konzert, für dessen Umschreibung schlichtweg die Worte fehlen. Zum einen blieb der Zuhörerschaft die Spucke weg ab den musikalischen Kapazitäten der Drehorgeln, zum andern war klar ersichtlich und hörbar, dass hier keine „gewöhnlichen“ Leierkastenmänner, sondern Drehorgelmänner am Werke waren, von denen ein grosses musikalisches Know-how abverlangt wird, um solch bedeutsamen Meistern wie Mozart, Haydn, Monti, Sousa oder Suppé hundertprozentig gerecht werden zu können.

Wiederholung
Das Konzert machte einem aber auch bewusst, dass die Musiker mit der Erfindung der Drehorgel um 1700 die ersten Opfer der fünfzig Jahre später richtig einsetzenden industriellen Revolution waren. Selbiges wiederholte sich im Übrigen rund zweihundert Jahre später bei der elektronischen, sprich digitalen Revolution, auch ihr diente vorgängig die Musik als „Versuchslabor“, was letztlich in der Erfindung des Keyboards gipfelte.

Gewöhnlich ungewöhnlich
Doch zurück zum Konzert. Nur Insider konnten wissen, was die sieben im Altarraum majestätisch aufgestellten Drehorgeln zu leisten vermögen. Zwar merkte auch ein Outsider, dass sie sich irgendwie von einer „gewöhnlichen“ Leierorgel unterscheiden, doch wurde dies eher dem sakralen Raum zugeschrieben. Und als dann die drei Drehorgelmänner, Mozarts Vogelfänger aus der Zauberflöte spielend, das Kirchenschiff betraten, schien ihnen deren Dresscode - Galahemd, Fliege, schwarze Hose und Frack – explizit typisch für ein Drehörgelikonzert. Wenig später stellte sich jedoch heraus, die Kleidung entsprach nicht dem eines Drehörgelispielers als vielmehr jenem eines Maestro.

So, als ob
Denn, als der ehemalige Konzert- und Opernsänger Peter X. Bürgisser seine 31 Töne, 124 Pfeifen und sieben Register umfassende, lochkartengesteuerte Drehorgel mit Luft versorgte, vermochten die Outsider vor lauter Staunen ihre Münder nicht mehr zu schliessen. Padre Davide da Bergamos (1791-1863) „Sinfonia in D“ klang so dynamisch und lebhaft, als ob die brillante Hausorganistin Angelika Hirsch in die Tasten ihres mit zwei Manualen, einem Fusspedal, achtzehn Registern und über tausend Flöten ausgestatteten Instruments greifen würde.

Was sie tatsächlich aber erst danach, äusserst zart und feinfühlig, mit zwei des 32 Sätzen enthaltenen „Flötenuhrstücke, Hob.XIX:1-32“ von Joseph Haydn (1732-1809) nicht minder eindrucksvoll tat.

Steigerung
War Bürgissers Stück schon phänomenal, so legte sein Kollege Cyril Schulthess mit Vittorio Montis (1868-1922) gefühl- und temperamentvollen, feurigen Csárdás noch einen Zahn zu. Dem Auditorium blieb erstmals die Spucke weg und spendete nach deren Rückkehr einen frenetischen Applaus.

„Jobkiller“
Drehte Edi Niederberger beim Einmarsch eine drei Kilogramm schwere Bauchorgel, bediente er für John Philip Sousas (1854-1932) Marsch „The invincible Eagle“ eine mit 12‘000 Stiften bestückte Walzenorgel und vermochte damit Sousas „unbesiegbaren Adler“ zweifelsfrei zu besiegen.

Spätestens jetzt zeigte sich, die drei Musikanten sind echte „Jobkiller“, weil sie alleweil sowohl die Organisten wie auch ganze Symphonie- und Blasorchester zu ersetzen vermögen. Erst recht, wenn sie, wie in den zwei Zugabestücken, im Duett aufspielen.

Auf Augenhöhe
Bevor es jedoch soweit war, begeisterte das Trio seine Zuhörerschaft unter anderem mit Mozarts „Klaviersonate in C“, dem „Banditenstreich“ von Franz Suppé (1819-1895), Edith Piafs (1915-1963) „Non, je ne regrette rien“. Keinesfalls hinten anstehen musste Organistin und Chorleiterin Angelika Hirsch, welche mit Kompositionen von Martin Vogt (1732-1809) und Padre Davide da Bergamos (1791-1863) dem Trio unzweifelhaft Paroli bot.
Fazit: Die Orgel bleibt die Königin der Instrumente, die sieben Drehorgeln sind jedoch inklusive den Spielern gewiss ihre Prinzen.





Fotos von Hans Berger - Fricktal24
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